In der Reihe „ASK zu Gast im Siegerlandmuseum“ zeigt Matthias Reith vom 1. März bis zum 5. Juli 2020
eine aktuelle Installation, die die Besucher zum Mittun einlädt.
Die Installation besteht im Wesentlichen aus drei Elementen.
1. Adapter: Lampenfassung auf Steckdose
2. Wechselstrommotoren mit Lampenfassung
3. Steh- und Tischlampen
Mit Hilfe der Adapter können Lampen in Reihe geschaltet werden.
D. h. die zweite Lampe steckt in der Fassung der Ersten. Dadurch werden beide Schalter der Lampen zuständig für den Stromfluss. Sie müssen nun beide auf „an“ stehen, damit Strom fließen kann. Bei zwei Lampen gibt es insgesamt 2 hoch 2, also vier mögliche Schalterstellungen.
In der Installation wurden 43 Lampen verwendet. Wären diese nur in Reihe geschaltet, gäbe es immernoch nur eine richtige Stellung unter 2 hoch 43 möglichen. Deshalb gibt es nach drei bis fünf Lampen eine Lampe mit einem Verbraucher in Form eines Motors. Er dient als Indikator für die vorangegangenen Schalterstellungen.
Die Besucher sind aufgefordert zu spielen, um die richtigen Kombinationen herauszufinden, die die Installation in Gang bringt.
Vernissage am 1. März 2020:
Nachdem Matthias Reith die Vernissage-Besucher begrüßt hatte, führte Dr. Ina Scheffler mit der folgenden Rede in die Ausstellung ein:
Es gibt zahlreiche Bilder in Sprache, die aufdecken wie vielschichtig unser Verhältnis zu Licht und seinen Quellen ist. Als Phänomen zeigt es sich in Redewendungen, die ihre Eigenschaften spiegeln. Etwas ist erhellend, etwas bringt Licht ins Dunkel. Auch das Menschliche wird im Verhältnis zu Licht und Lichtquellen gespiegelt. Jemand ist ein leuchtendes Beispiel, es wird jemandem heimgeleuchtet, ein Licht geht einem auf, man macht sich aber auch die Lampen an oder hat nicht alle Kerzen am Kronleuchter.
Das Phänomen des Lichts verbindet sich heute und hier in der Installation von Matthias Reith mit dem der Zeit und des Geräuschs. Der Titel der Ausstellung – Weil morgen heute gestern wird – setzt einen Akzent auf Zeitlichkeit, der sich durch sein Werk zieht.
Matthias Reith wurde 1981 in Lahr im Schwarzwald geboren und studierte ab 2001 Informatik in Freiburg und ab 2004 Kunst und Mathematik in Siegen. Sein Studium der Kunst mit Schwerpunkt der Bildhauerei bei Prof. Michel Sauer sowie der Photografie bei Prof. Judith Samen verstärkte seine hochgradig individuelle Entwicklung einer sehr eigenen künstlerischen Position, die sich dann in zahlreichen Ausstellungen in Siegen, Düsseldorf und Köln zeigte und zeigt. Am Apollo Theater in Siegen arbeitete er an zahlreichen Produktionen im Bereich Bühnenbild und Technik mit. 2012 erhielt er den „Kunstsicher“ Preis. Seit 2011 ist er Mitglied des ASK.
Licht ist eines der Phänomene, die Matthias Reith neben dem der Bewegung, der Zeit und des Sounds in seinen Arbeiten untersucht. Im Licht, dass immer eine Quelle hat, verbinden sich diese und weitere Phänomene aufs Neue. Kunstlicht – also künstliche Lichtquellen – ersetzen im religiös-kirchlichen Kontext eine natürliche Flamme mit Ruß und Staub, durch eine künstliche, saubere und verlässliche Quelle. Wenn es das ewige Licht darstellen soll, muss Kunstlicht verlässlich, langlebig und unzerstörbar sein. Zeit, Licht und Material verbinden sich untrennbar in ihrer Aufgabe. Licht selbst ist also immateriell, gleichzeitig aber auf eine materielle Quelle angewiesen. Diese wiederum ist immer an kulturelle und zeitliche Phänomene gebunden.
Matthias Reiths Fundstücke machen dies deutlich. Die hier versammelten Lampen sind in ihrer Sammlung mehr als Lampen, die wir alle zuhause haben, jeden Tag zigfach sehen, vielleicht auch als Objekte durch Gewöhnung schon gar nicht mehr wahrnehmen. Diese Sammlung ist auch eine Zeitreise durch Industriegeschichte, eine Geschichte, die im öffentlichen Raum stattfindet und an der wir alle teilhaben. Gleichzeitig aber repräsentiert sie auch stellvertretend private Wirtschafts-, Industrie- und Sozialgeschichten. Jeder von uns hat zumindest zu einer dieser Lampen einen eigenen, sehr persönlichen und individuellen Zugang. Die Objekte reflektieren somit unter anderem unsere Biografien, unseren Geschmack, unseren Zugang zur Welt, obwohl sie tausendfach produziert werden und somit echte Güter der Massenproduktion sind. Diese Inhalte werden auch über ihre Materialität transportiert, in dieser umfassenden Materialolympiade spiegeln sich die gesamten Materialien der Häuslichkeit, von Stoff über Plastik und Draht, bis hin zu Stickerei.
So sind wir mit unseren Lampen durch das häusliche Netzwerk, das städtische oder ländliche Stromnetz verbunden. Der Strom fliesst, das Private ist im öffentlichen Netzwerk durch den Strom und die damit verbundene Spannung verbunden.
Die Installation zeigt wie das Häusliche banal und speziell gleichzeitig ist und spielt mit unseren Erwartungen. Man erwartet vielleicht gerade von Dingen des Alltags mit denen wir unseren Tag beginnen und auch schließen nicht viel, sind es doch Profanitäten, die man in- und auswendig kennt und ständig benutzt. Gleich sieht man in dieser Installation jedoch leichte Störungen des Bekannten und die vermeintliche Sicherheit beginnt zu schwinden. Ein Draht, ein Kabel, dass nicht sein soll wo es ist. In vielen von Matthias Reiths künstlerischen Arbeiten wird in den Arbeiten ausgehandelt, welche Themen in welchen Bereichen Vorrang haben. So entstehen Gebilde, die schon lange in den Köpfen sind. Die Objekte werden neu in Zusammenhang gebracht, leicht verändert und so wirken sie bekannt und überraschend gleichzeitig. Ideen werden in Material übersetzt, sie werden deutlicher und gleichzeitig obskurer. Scheinbar bekannte Funktionen beginnen durch diese künstlerische Intervention ein neues Eigenleben. Und so kann man diese Installation auch als eine Einladung dazu begreifen, darüber nachzudenken was man sieht, hört und tut, wenn man der Installation aktiv begegnet sowie darüber nachzudenken wie sich hier in diesem Kreislauf, der keiner ist, dieser Kette, die nur manchmal eine ist, die Katze in den Schwanz beisst. Der feine Humor wird auch deutlich, wenn man sich die technischen Begebenheiten die Matthias Reith erfand, baute und inszenierte genauer anschaut. Der Kontext der Lampe wird verschoben, man wird überrascht und herausgefordert
In dieser Installation – bestehend aus 43 Steh- und Tischlampen – sind Lampen verbunden. Diese Verbindung entsteht durch die Fassungen in denen ein Steckdosen-Adapter steckt, so dass man eine Lampe in die nächste Lampe und wieder in die erste einstecken kann. In dieser Kette aus Lampen werden diese zu Schaltern, da nicht in allen auch ein Leuchtelement steckt. Sie bilden also eine Kette von Schaltern. Motor-Adapter in manchen der Lampenfassung bringen Bewegung und Geräusch, sie kratzen und schleifen mit Draht an der Lampe. Da ein Schalter entweder an oder aus sein kann, muss erst die richtige Schalterkombination gefunden werden, damit der Motor läuft.
Die Bezüge kollidieren, die Verbindung fließt, das Leiten wird zum Ereignis und zur Bewegung, die Pointe ist gleichzeitig Erkenntnis. Der Moment des Anschalten lässt das normale Ding zu einem Objekte zu werden und diese Pointe zur Kunst.
Impressionen von der Vernissage
Die Siegener Zeitung veröffentlichte den Vorbericht am 28.1.2020