November 2002

Wechselweise

29.11. – 22.12.2002

Künstlergruppe Bonn und
Arbeitsgemeinschafft Siegerländer Künstler

Künstlergruppe Bonn:  Hellmuth Eicher  ·  Susanne Neusel  ·  Godela Habel  ·  K.P. Kremer  ·  Sybille Petersen  ·  Andreas Rein

ASK:  Thomas Kellner  ·  Ingo Schultze-Schnabl  ·  Gereon Heil  ·  Eckard Putzmann  ·  Helmut Riekel  ·  Helga Seekamp

Städtische Galerie Haus Seel, Siegen

 

     

 

 

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ASK Winterrede 2002

„Wechsel-Weise“ ist der Titel der diesjährigen Winterausstellung. Wieder einmal nutzt die ASK die Möglichkeit, in der Städtische Galerie Künstlerkolleginnen und –kollegen vorzustellen, zu denen sich Kontakte und Dialogmöglichkeiten gefunden haben. Sie setzen sich fort in der Ausstellung in Bonn, die für das Jahr 2004 angedacht ist.

So führt die Arbeitgemeinschaft die Linie fort, die sich in den vergangenen Jahren schon etabliert hat: Austausch, Dialog, Bewegung, sei es nach außen durch Mitarbeit an größeren Kunstprojekten oder wechselseitige Ausstellungen wie diese hier oder im nächsten Jahr im Kunstverein Siegburg, wo die Gegeneinladung der Siegburger zu ihrer Siegener Ausstellung nach vielen jahren realisiert werden kann.

Nach innen kommen wechselseitige Impulse durch die kontinuierliche Aufnahme neuer junger Künstlerinnen und Künstler, wie wir sie zuletzt in der Frühjahrsausstellung mit der Präsentation von Sabiene Autsch, Jochen Dietrich und Silke Krah vorstellen konnten und wie wir sie heute mit Thomas Kellner fortsetzen dürfen, der ja den meisten von uns bekannt und vertraut ist, aber im Rahmen der ASK erstmalig gezeigt wird.

Die logische Fortsetzung wird denn auch zum 80-jährigen Bestehen der ASK mit Unterstützung auch von Satdt und Kreis eine größere Ausstellung im nächsten Frühjahr sein, die hier in der Galerie und im Haus Oranienstraße die Gruppe als Ganzes vorstellen wird, auch mit ganz neuen Gesichtern und auch mit einem neuen Gruppenkatalog. Ich hoffe, sie sind gleichfalls neugierig und wir alle möchten Sie schon jetzt zur Eröffnung im Mai 2003 einladen.

Wechselseitig ist auch das Verhältnis zwischen Kunst und Realität. Keine neue Erkenntnis, gebe ich zu, aber immer wieder ein hilfreicher Ansatz, um Gesehenes zu prüfen und zu ordnen, auch erste Zugänge zu ermöglichen zu Arbeiten, die vielleicht fremd und verwirrend erscheinen.

Beginnen wir den gedanklichen Ausstellungsrundgang bei Hellmuth Eicher, so finden wir durchaus vertrautes, ist doch die römische Göttergestalt des Janus schon ein wenig älter. Der doppelgesichtige Gott der Diebe und der Tore verlockt doch immer wieder als geeignete Figur zu Beschreibung der Realität, wie der Mensch sie sich gestaltet oder sie wahrnimmt.

Auch die übrigen Gestalten seiner Bronzearbeiten haben die Sicht auf meschliche Realität zum Zentrum, im Gegensatz zu Thomas Kellner und Ingo Schultze-Schnabl, deren Arbeiten sich im ersten Moment auf das Spielen mit Formen und Strukturen eingrenzen, die aus der Realität nachgerade herausgeschnitten erscheinen.

Rhythmus und Gliederung wirken im ersten Moment wie zweckfreies gestalterisches Spiel, entfalten aber doch nach etwas Zeit auch ihre Inhalte: Schaut man etwa auf den frivol tänzelnden Fernsehturm, ohne den ja unser Leben so langweilig wäre, die Behausungen menschlicher Machtzentren in den Arbeiten daneben mit ihrer Bewegungen oder auch die Woge, die sich aus der Konstruktion einer Sportstätte entwickelt, so bleibt das Ganze doch nicht frei von Assoziationen und Symbolwert.

Emotionale Umsetzung von Realität begegnet uns auch in den Arbeiten von Gereon Heil, der diesmal die Felsen der Küste gegen Häuser als Motive tauscht. Schweigsam, regelrecht stoisch präsentieren sich die menschlichen Behausungen, nicht unfreundlich in all der kraftvollen Farbe, aber doch menschenleer und recht verschlossen stehen sie einzeln oder in kleinen Gruppen unter leuchtendem Himmel.

Etwas kühler zeigen sich die Landschaften von Susanne Neusel. Ihre Arbeiten lassen den Betrachter nur vermuten, dass ursprünglich eine gesehene Landschaft Auslöser der Bilder gewesen sein mag, im Ergebnis wird ihre Wirkung aber gebrochen und verfremdet durch gestische Elemente in Farbauftrag und Zeichnerischer Struktur, die dafür sorgen, dass sich die Bildsprache verselbständigt, statt sich nur dienend unter ein Motiv unterzuordnen.

Der Gang zu den Arbeiten von Godela Habel liegt hier vielleicht nahe, zeigt sich bei ihr doch überhaupt kein erkennbares Motiv, die Bildsprache ist nicht Sprache von Abbildungen sondern von Bildspuren, die der Stift und die Tusche, der Kartonstreifen oder was auch immer Werkzeug gewesen sein mag, hinterlassen haben. Trotzdem erzählen sie ihre Geschichte, ihre eigen Geschichte, die ebenso viel Spannung, Neugier und auch Schmunzeln auslösen können wie das Wiederkennen von „normaler Wirklichkeit“ in Bildern anderer Künstler.

Vielleicht etwas weniger emotional wirken im ersten Moment die Arbeiten von Eckard Putzmann, sind sie doch stärker der Sprache der Geometrie verpflichtet. Aber keck und farbenfroh machen sie sich bemerkbar, sind Bildzeichen, aber nicht Zeichen für etwas. Sie bezeichnen nur sich selbst, haben aber trotzdem Charme, vielleicht sogar ihren Witz. Mir zumindest scheint es so [der Künstler möge mir die saloppe Beschreibung verzeihen], wenn ich sehe, wie die strenge Form als Pappendeckelplastik auftritt oder stoppelige Nägelchen die reine gelbe Fläche strukturieren. Hier liegen Pathos und Augenzwinkern dicht beieinander.

Weit stiller strahlen da die farbintensiven Arbeiten von K.P. Kremer, der mit sanftem Strich Farbschicht um Farbschicht aufbaut, um ein tiefes Leuchten zwischen Formen zu erreichen, die den Bildraum zustellen. Assoziationen von Stadtlandschaft stellen sich ein, legen aber nicht fest. Die Freude ab Farbe und Material sind Ausgangspunkt der Arbeitweise des Künstlers, die Realität geduldeter, nicht aber abgebildeter Bezugspunkt.

Auch für Sybille Petersen und Helmut Riekel ist der Reiz des Materials bestimmende Kraft in der Entwicklung der Bilder. Erstere greift Fundstücke auf, arbeitet auf Zeitung, die ihr in die Hände fällt. Der Text bleibt spurenweise lesbar, setzt sich durch gegen die Spuren der grauen Übermalungen und der krakeligen Schwärzen, die die Fläche erobern und ein Eigenleben entfalten.

Farbiger stellen sich die neueren Arbeiten von Helmut Riekel dar, der uns in seinem Rahmenprogramm erst einmal mit der Leere der Mitte konfrontiert. Ein Sinnbild? Der Rand entschädigt uns: Besonders bei den kleineren Arbeiten daneben betont die grobe Realität der Wellpappe das Materialhafte seiner Arbeiten und verbindet sich mit den mediterranen Farbskalen zu einem harmonischen Ganzen.
Auch für Helga Seekamp, last but not least, ist das Stichwort Material wichtiger Eckpunkt ihrer Gestaltung.

Ist das nun Holz oder nicht? fragt sich so mancher, der mit Augen oder heimlich auch mit Fingern mal prüfen möchte, was er vor sich hat. Auch rätselt man: Was sind das für Spuren in dem Material: Ist es Maserung? Gebrauchsspur? Was ist das überhaupt? Teil einer Holzbrücke? Ein Gitter? Eine Leiter? Das Objekt gibt es nicht her, es lockt hervor: Statt abzubilden ruft es Assoziationen wach und lässt unsere Gedanken wandern. Vielleicht wird es ja gar zur Himmelsleiter, die unsere Gedanken über die Dachfenster der Galerie hinaus zum Wandern einlädt.

Zum Wandern möchte ich nun Sie einladen, mit Augen, Füßen und Gedanken im Gespräch Künstler, Kunstwerk, Kunstfreund und –freundin. Die Künstler wünschen viel Freude und die Ausstellung ist hiermit eröffnet.

 

 

Pressestimmen

Siegener Zeitung 28.11.2002

“Wechsel-Weise”: Kunst im Dialog

gmz Siegen. Mitten im Raum hängt ein Xylophon für Giganten: Gemaserte Plättchen, mit Farbspuren versehen, hängen in einem großen, schwarzen Rahmen in zwei Reihen, zwischen Seilen. Oder ist das Xylophon eine Himmelsleiter? Das Objekt lädt jedenfalls zur Berührung ein – ist es Ton, ist es Holz? Woher kommt die Farbe?

Helga Seekamp, von. der auch die erdige “Erinnerungs”- Installation stammt, zeigt diese haptisch ansprechenden Arbeiten in der Winterausstellung der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler (ASK».. in der unter dem Motto Wechselweise” sechs ASK-Künstler und fünf Mitglieder der Künstlergruppe Bonn (das sechste war kurzfristig verhindert) vertreten sind. Wechsel-Weise” wird. heute, 19 Uhr, im Haus See eröffnet und ist bis 22. Dezember zu sehen

Die dem heimischen Publikum besser bekannten Künstler der ASK haben Überraschendes zu bieten. Mit Helmut Riekels “. Rahmenprogramm” hätte man so wahrscheinlich nicht gerechnet: Er erhebt farbig gestaltete Wellpappe-Passepartouts oder Holzrahmen zum.Bild”, das Zentrum. bleibt leer. Trotzdem ist es mehr als ein Gag, denn mit den Passepartout-Bildern erinnert er an italienische Landschaften, die durch die Farbgebung einen emotionalen Wiederkennungswert erhalten. Gereon Heil hat kräftig-stabile, geheimnisvolle Häuser in eine nur angedeutete.Landschaften gesetzt. Ihre Geschlossenheit, die fast verschlossen ist, macht die in starken Färben gehaltenen kleinen Siedlungen zwar nicht gerade einladend”, aber auf jeden Fall sind sie Orte der Zuflucht, der Individualität. Die Unbehaustheit, die in seinen sehr autarken Felslandschaften spürbar.ist, wandelt sich hier zur souveränen Unabhängigkeit. Thomas Kellner setzt in seinen Fotoarbeiten von Monumenten in deutschen Städten die Auflösung ihrer Stabilität fort, mehr noch als in früheren Arbeiten. Das verspiel-schwebende Olympia-Stadion in München, scheint jede Leichtigkeit zu verlieren und in einem „schwarzen Loch” zu verschwinden, das Rathaus wird Münchhausen-gleich vom eigenen Turm in die Höhe gezogen. Ingo Schultze-Schnabl setzt mit seiner vielteiligen (nicht nur dreiteiligen), die Ungelenktheit der Stahlobjekte durch die schmalen Formate aufhebenden „Entfalteten Landschaft” verstärkt auf die „Schaffung” des Bildes durch den Betrachter, Auch Eckhard Putzmann „spielt’ – reut den. Erwartungen an Plastiken und ihre Materialien. So „selbstbewusst” und raumgreifend seine geometrischen Objekte, die ein wenig an „Sportgeräte” erinnern, auftreten, so winzig sind die Formate. Die Tatsache, dass sie aus Pappe sind, schafft eine zusätzliche ironische Spannung. Auch der Bonner Hellmuth Eichner schafft mit seinen Plastiken Gegensätze: Sie bestehen zwischen dem dauerhaften Material Bronze, das den archetypischen Themen wie „Janus und seine Muse” oder, La Belle et la, Bete” (a’ la Porgy and Bess”) zu entsprechen scheint, und. der frivolen Darstellung der Figuren und Situationen.
Sibylle Petersen macht deutlich, dass „Good News” auch „keine News” sein können: Zeitungspapier wird so übermalt und mit sich verselbständigenden Linien versehen, dass Inhalt unerheblich wird. K. Peter Kremer spielt mit der Tiefenwirkung der Farbe. Er schichtet Rot, Lila, Orange so übereinander, dass.Dimensionen” entstehen und Lichtblicke möglich sind oder Durchblicke verhindert werden. Susanne Neusel konterkariert die „romantischen” Erwartungen der Zuschauer, indem sie die stimmungsvolle Moorlandschaften so durch zeichnerische, Ausbrüche” verfremdet, dass die „Stimmung” im Bild. täuschen, muss. Godela Habel kontrastiert in ihren wirkungsvollen, farbreduzierten Arbeiten sparsam Flächen und Linien, bezieht sie so aufeinander, dass die Vielschichtigkeit der Beziehungen deutlich wird, dass Figuren, sich formieren, in Dialog miteinander treten, gemeinsam agieren und doch. immer wieder den Zusammenhalt neu bestimmen müssen. – Eine Aufgabe, die nicht nur für die Bilder, sondern grundsätzlich besteht!

 

 

Westfälische Rundschau 30.11.2002

 

Westfalenpost 12.03.2002